HDS: Herr Deuerlein, was ist für ZÄ ohne Grenzen e.V. eines der größten Probleme?
Herr Deuerlein: Zum einen gibt es leider immer noch in vielen Ländern Gegenden, in denen für die Bevölkerung vor Ort keine oder zumindest keine ausreichend zahnmedizinische Grundversorgung gewährleistet werden kann. Zum anderen müssen Zahnarztbesuche vielerorts von den Patienten selbst bezahlt werden. Sie haben entweder keine Krankenversicherung oder es gibt keine staatlichen Finanzierungen oder Zuschüsse dafür. Da kann man sich vorstellen, wie viele Menschen sich das nicht leisten können.
An ehrenamtlich engagierten Zahnärztinnen und Zahnärzten, sowie an Helferinnen und Helfern, die sich auf eigene Kosten einsetzen würden, fehlt es nicht. Jedoch, man darf nicht einfach in andere Länder reisen und zahnärztlich tätig werden. Da kämen Sie schnell mit einer ganzen Reihe an Gesetzen in Konflikt. Zudem wären wichtige Haftungsfragen ungeklärt, wenn Patienten bei Komplikationen zu Schaden kämen.
Einem solchen Hilfseinsatz gehen aufwändige und zeitraubende Vorbereitungen voraus, wie z. B. Verhandlungen mit den Regierungen, Gesundheitsministerien und Gesundheitsämtern vor Ort.
HDS: Wie gelingt es der DWLF – Zahnärzte ohne Grenzen – trotzdem, eine Basis der Absicherung für einreisende Helfende zu gewährleisten?
Herr Deuerlein: Das gelingt nur, wenn den Zahnärzten und ihren Helfern dieser immens hohe, oft monatelange Zeit- und Verwaltungsaufwand abgenommen wird. Und es müssen die rechtlichen und bürokratischen Voraussetzungen mit den Gastländern von dritter Stelle geschaffen werden.
Wir, die DWLF, klärt mit den Regierungen der infrage kommenden Gastländer alle Einsatzvoraussetzungen, wie z. B. die Einsatzarten, Einsatzzeiten und Einsatzorte ab. Die Grundlage – und für DWLF inzwischen in vielen Ländern zum Türöffner geworden – ist die sog.
„SCIMUS-Ethik“, nach deren Grundsätzen die teilnehmenden Zahnärzte und Helfer ihre Einsätze planen und durchführen müssen. Unter
www.scimus-ethik.org sind das Fundament und der ethische Sinn von SCIMUS sehr schön beschrieben.
Trotzdem übernehmen die Zahnärzte und ihre Helfer in den Einsatzländern immer jeweils die Verantwortung für sich selbst.
Wir, die DWLF als gemeinnützig und mildtätig anerkannte Stiftung, versteht sich dabei als Servicestelle für die Einsatzteams vor Ort. Für mobile Einsätze stellen wir robuste, transportable Behandlungseinheiten zur Verfügung, wo andernorts wiederum feste Behandlungsstationen und zahnmedizinische Werkzeuge organisiert werden. Auch die für die Einsatzgebiete notwendigen Transporte mit der Zollabfertigung und andere bürokratische Abwicklungen werden von der DWLF organisiert.
HDS: Herr Deuerlein, was berichten Ihnen die Einsatzteams von ihrem Aufenthalt vor Ort ?
Herr Deuerlein: Ja, das ist das Schöne, das für die langwierigen Bürokratie-Hürden entlohnt. Es ist in der Tat vielfältig, was es mit einem „macht“, wenn man helfen kann:
Nicht nur, dass die Menschen vor Ort kostenlos behandelt werden können, nein auch, wenn z. B. Patienten in Afrika durch die Behandlung der Zahnärzte und Zahntechniker wieder Arbeit bekommen. Das ist für diese Menschen existenziell. Mit einer sichtbaren Zahnlücke hat keine Afrikanerin, kein Afrikaner Aussicht auf eine Anstellung, wie zum Beispiel im Tourismussektor.
Auch der Blick auf das eigene Leben, auf den gegensätzlichen „Luxus“ hierzulande, ja, das lässt einen nachdenklicher werden und ist ein großartiges Gefühl. Recherchieren Sie doch auf unserer Internetseite
www.dwlf.org mal unter der Rubrik „Berichte“ oder in der Kategorien-Wolke „Berichte“ dazu. Da sehen und lesen Sie alles live und in Farbe.
… und was ist das konkrete Ziel von DWLF - Zahnärzte ohne Grenzen?
Die DWLF - Zahnärzte ohne Grenzen möchte durch das Engagement mithelfen, dass ausbalancierte Länder in einer ausbalancierten Ländergemeinschaft entstehen können.
Das stabilisiert den Frieden.
HDS: Was für ein schönes Bild.
Und jetzt frage ich doch noch, aufgrund der aktuellen Lage leicht besorgt: Was geschieht denn in den Ländern vor Ort, während der Zeit der Corona-Pandemie?
Herr Deuerlein: WENIG, leider momentan von unserer Seite aus, wenig. Uns bleibt derzeit kaum mehr als der Versand von, z.B. Anästhetika. Selbstverständlich haben wir aus Sicherheitsgründen im Sinne aller Beteiligten sämtliche geplanten Einsätze storniert. Was sich durch die Einreiseverbote in die Länder für uns ebenfalls als eine angespannte Situation darstellt: Wir haben
nur noch indirekt Kontrolle über das vor Ort verbliebene Einsatzmaterial.
Gleichwohl stehen unsere Teams bereit und sind kurzfristig einsetzbar. Wir überprüfen laufend die Situation in den Gastländern. Und hoffentlich können wir ab Januar, in dem ein oder anderen Land wieder durchstarten.
Eine schwierige Situation nicht nur für uns, für die ganze Welt.
HDS: Was wünschen Sie sich für Zahnärzte ohne Grenzen e.V., und wie können wir helfen?
Herr Deuerlein: Da möchte ich die Leser gerne noch einmal auf unsere Internetseite
https://www.dwlf.org/direkt-spenden/ verweisen. Da werden Sie fündig.
Vielleicht haben Leser nach einer evtl. Neuanschaffung gut erhaltene Zangen, Turbinen, Hand- und Winkelstücke oder Ähnliches, das sie nicht mehr benötigen. Willkommen, sind uns auch Firmen, die uns vor Ort mit Sachleistungen für Patienten unterstützen wollen. Zum Beispiel mit Zahnbürsten, oder Spielwaren für Schüler(innen), denen wir Unterricht in Prophylaxe erteilen. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig. Gerade für Zahnarztpraxen, die sich bereit erklären, Patienten auf Zahngoldspenden hin anzusprechen. Sehen Sie hierzu gerne auf unsere Webseite,
https://www.dwlf.org/altgoldspende/. Vielen Dank!